Predigt für Sonntag, 28. Februar zu Römer 5,1-5
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Predigt für die evangelischen Kirchengemeinden
Heidelsheim und Helmsheim
Für Sonntag, 28. Februar 2021,
Predigttext: Römer 5,1-5
Wie verbindlich sind die biblischen Gebote heute?
Römer 5,1-5
1 Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. 2 Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird. 3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, 4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, 5 Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.
Liebe Gemeinde,
genau vor vier Wochen hatten wir das Predigtthema „Wie wir der Bibel vertrauen können!“ Für heute hatte ich mir vorgenommen, das Thema fortzusetzen mit der Frage: „Wie verbindlich sind die biblischen Gebote heute?“
Merkwürdigerweise hatte ich mir selbst diese Frage nie so gestellt. Aber neulich begann ich einmal darüber nachzudenken: Warum lernt man im Konfirmandenunterricht die 10 Gebote auswendig und nicht die anderen der insgesamt 613 Gebote des Alten Testaments? So zählen zumindest Menschen jüdischen Glaubens die Gebote in dem Teil der heiligen Schrift, den wir mit ihnen teilen.
Warum halten wir uns nicht an die komplizierten Ernährungsgebote der Bibel, lassen nicht alles sieben Jahre unsere Äcker brach liegen, beschneiden keine jungen Männer? Warum verbieten wir nicht Tattoos und stellen es nicht unter Todesstrafe, wenn jemand seinen Vater oder seine Mutter verflucht? Warum verzichten wir nicht darauf, Banken zu betreiben und Zinsen zu nehmen? All dieses ließe sich durch biblische Gebote begründen. Wir könnten sagen: Es steht doch in der Bibel. Daran müssen wir uns halten. Aber wir tun es nicht.
Hat dann die Bibel, das Wort Gottes überhaupt eine Autorität? Wenn wir es uns einfach heraussuchen, was wir umsetzen und was nicht?
Wir können doch nicht zu unseren Kindern sagen: „Wir halten uns an die Bibel“ und dann viele Bibelstellen einfach unterm Küchentisch verschwinden lassen, als wären sie gar nicht da. Wenn wir wollen, dass unsere Kinder die Bibel als Autorität schätzen, müssen wir erklären können, warum wir trotz anders lautender Gebote Schweinfleisch essen und andererseits sagen, es wäre Gottes Wille, dass wir nicht lügen.
Vor vier Wochen sagte ich, dass die Bibel kein Telefonbuch sei. Nicht alle Einträge haben das gleiche Gewicht. Die Bibel ist der große Gott-und-die-Menschen-Roman der in der Hauptsache gipfelt: Jesus Christus. Er ist die Mitte und der Höhepunkt der Schrift. Von ihm aus soll alles in der Bibel betrachtet werden. Und das tun wir nun auch. Von ihm aus fragen wir: Wie verbindlich sind die biblischen Gebote heute?
Von Jesus Christus her gilt: Kein Gebot ist an sich und für sich verbindlich. Und jetzt meine ich verbindlich im Wortsinn! Jesus hat verkündigt: Durch mich gibt es einen neuen Bund. Das ist diese Verbindung, von der der Predigttext spricht: „Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir Zugang zu dieser Gnade.“ Wenn etwas verbindlich ist für Christen, dann ist es der Bund mit Gott durch Jesus Christus. Durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung hat er diese Verbindung geschaffen.
Weil es diesen neuen Bund gibt, ist der alte Bund abgelöst, sagt Paulus. Es gab nämlich einen anderen Bund, ein Angebot Gottes, mit dem die Menschen mit Gott Verbindung haben konnten, nämlich über seine Gebote. Sie zu halten ermöglichte es den Menschen, Gottes Segen zu erfahren. Die Opfergebote, die Kultvorschriften waren auch dazu da, dass nach einer Übertretung Dinge wieder in Ordnung gebracht werden konnten. Dieser Gebote-Bund wurde abgelöst durch den neuen Bund: Durch den Zugang, der Verbindung mit Gott durch die Gnade Gottes in Jesus Christus.
In diesem Bund braucht es eigentlich gar keine Gebote mehr, denn – auch das steht in unserem Predigttext – die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist. An anderer Stelle heißt es, dass Gott uns seinen Willen direkt ins Herz schreibt, nicht auf steinerne Tafeln, sondern fleischerne Tafeln des Herzens.
Wenn man es nun doch als Gebot haben wollte, dann müsste man dieses nehmen: Du sollt Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.
Die Liebe Gottes in unseren Herzen lässt uns ihn lieben, uns selbst und unseren Nächsten. Jesus hat gesagt: In diesem Liebesgebot ist der ganze alte Bund, das „Gesetz und die Propheten“ aufgehoben, erfüllt und (um nicht zu sagen „überholt“:) eingeholt.
Deutlich wird im neuen Bund, im neuen Testament, dass die Gebote, die sich auf Opfer, Kult und Ernährung bezogen, überhaupt keine Rolle mehr spielen – es sei denn in Rücksichtnahme auf die Christen, die ursprünglich Juden waren – aus Liebe eben. Auch was an Geboten im Alten Testament bürgerliches Gesetz war, hatte keine Bedeutung mehr. Man bewegte sich ja im Bereich des römischen Rechtes. Nur noch, wo es um das Miteinander zwischen den Menschen geht, da gibt es gebotsartige Anweisungen: Seid wahrhaftig zueinander, betrügt nicht, seid freigiebig und barmherzig. Auch in Bezug auf die Gottesliebe gibt es Anweisungen: Macht nicht das Geld zu eurem Gott, macht nicht beim Götzendienst mit.
Aber all diese Gebote sind nicht für sich verbindlich, sondern nur in Verbindung mit der Liebe Gottes und dem Gebot der Nächstenliebe. Wenn die Liebe in unserem Herzen ausgegossen ist, dann brauchen wir eigentlich keine Gebote. Dann können wir es mit dem Kirchenvater Augustin halten und sagen: Liebe und tu, was du willst. Heut muss man allerdings, um der Verwechslung vorzubeugen, sagen: Liebe mit dem Herzen Gottes und tu, was du willst!
Ich betone das mit dem Herzen Gottes, weil: Auch wenn Gottes Liebe in unser Herz ausgegossen ist, schlägt unser altes Herz, das Herz voller Misstrauen und Selbstsucht immer noch in unserer Brust. Deshalb macht es auch Sinn, wenn wir nicht einfach „unserem Herzen folgen“, weil das eben voller Neid, Misstrauen und Gier sein kann.
Da helfen uns die Gebote, dass wir erkennen, wo unser altes Herz mit uns unterwegs ist oder das Herz, in dem die Liebe Gottes ausgegossen ist. Wir beschäftigen uns mit ihnen, um festzustellen, wo der Geist der Liebe Gottes in uns wirkt und wo nicht. Wir sind aber frei davon, diese Gebote wie einen Maßstab verwenden zu müssen, mit dem wir uns oder andere messen. In Bindung an Christus und seine Liebe sind wir frei und verantwortlich zu überlegen: Wie leben wir in der Liebe Gottes in der heutigen Zeit?
Manche Probleme, die wir heute haben, waren in biblischen Zeiten noch gar nicht im Blick. Wir haben neue Fragen, die wir im Geist der Liebe Gottes bedenken müssen: Wie gerecht ist es, Schulden auf Kosten der nächsten Generation zu machen? Wie gehen wir mit den unendlichen Möglichkeiten der Medizintechnik um? Was ist eine gerechte Verteilung von Impfstoffen? Da werden wir Menschen wohl da und dort Regeln fürs Miteinander machen. Aber wir dürfen wissen: Die Regeln sind nicht das Eigentliche, sondern die Liebe.
Wie verbindlich sind die biblischen Gebote heute? Ich sage es jetzt noch nochmal deutlicher: Sie sind gar nicht verbindlich. Die Liebe Gottes ist verbindlich. Darin eingebunden können Gebote hilfreich sein. Aber auch nur so! Wenn ihr Gebote gebraucht (z.B. Du sollst nicht ehebrechen! Oder: Seid wahrhaftig! Oder: Du sollst nicht töten!), dann wendet sie an, um eine liebevolle Verbindung zu euren Mitmenschen zu schaffen und Gott zu lieben. Nutzt sie im Geist der Liebe, die ausgegossen ist in eure Herzen.
Und bitte: Lasst es sein, von den biblischen Geboten als Maßstab zu reden. Hier seht ihr einen Maßstab, ein Metermaß. Bei einem Maßstab läuft es so: Entweder man erfüllt ihn oder eben nicht. Diesen Gebrauch der Gebote sollen Christen absichtlich vergessen! Gebote sind keine Maßstäbe, sich selbst zu messen oder den Mitmenschen. Wenn wir Gebote Gottes als Maßstäbe missbrauchen, schaffen wir Distanz auch zueinander, aber keine liebevolle Zuwendung. Verwendet Din-Normen oder Bildungs-Standards als Regeln für bestimmte Themen. Tut das gerne. Aber geht nicht „so deutsch“ mit biblischen Geboten um. So verwendet wirken sie toxisch und tödlich.
Stattdessen lasst euch in die Liebe Gottes hineinverbinden, hinein in den neuen Bund und lebt in der Liebe. Oder macht es mit der Jahreslosung: Seid barmherzig, wie auch der Vater im Himmel barmherzig ist. Amen.
Stephan C. Thomas, Pfarrer, Vakanzverwalter der Pfarrei Heidelsheim und Helmsheim,
; zu erreichen unter 0160-7965863