Predigt für 20. Dezember zu 1. Mose 18,1-15 von Pfarrer Thomas
Predigt für die evangelischen Kirchengemeinden Heidelsheim und Helmsheim
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Am 20. Dezember 2020, 4. Advent, Predigttext 1. Mose 18,1-15
Gott empfangen – mit Gastfreundschaft und gespannt auf Überraschungen!
Liebe Gemeinde,
wahrscheinlich haben Sie schon längst geplant, mit wem Sie die Feiertage verbringen. Oder hat der Lockdown nochmals alles durcheinandergebracht? Maximal 10 Personen aus zwei Haushalten. Es kommt nochmals auf den Verwandtschaftsgrad an. Und die Tageszeit. Und ob es Weihnachten oder Sylvester ist. Es ist gar nicht so einfach mit den Besuchen in diesen Tagen. Und nicht wenige Besuche sind abgesagt.
Tatsächlich: Der Text zum Predigen für den heutigen Sonntag (1. Mose 18,1-15) handelt von einem Besuch. Ich erlaube es mir, am Anfang etwas auszulassen, um diejenigen nicht zu „spoilern“, die die Geschichte noch nicht kennen. „Spoilern“ meint: Jemandem z. B. das Ende eines Films oder einer Geschichte zu erzählen, und damit die Spannung zu nehmen. Also jetzt die Version, bei der die vorweggenommene Pointe weggelassen ist:
1 Im Hain Mamre saß Abraham an der Tür seines Zeltes, als der Tag am heißesten war. 2 Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde 3 und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. 4 Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. 5 Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei eurem Knecht vorübergekommen. Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast. 6 Abraham eilte in das Zelt zu Sara und sprach: Eile und menge drei Maß feines Mehl, knete und backe Brote. 7 Er aber lief zu den Rindern und holte ein zartes, gutes Kalb und gab’s dem Knechte; der eilte und bereitete es zu. 8 Und er trug Butter und Milch auf und von dem Kalbe, das er zubereitet hatte, und setzte es ihnen vor und blieb stehen vor ihnen unter dem Baum, und sie aßen.
Haben Sie das bemerkt? Das volle Programm der Gastfreundschaft! Da wird alles aufgefahren, was geht! Aber zuerst: Merkwürdiger Moment für einen Besuch – in der Mittagshitze – wer ist da schon unterwegs? Überraschender Besuch – egal – Abraham geht ihm höflich entgegen – wird er den Mindestabstand wahren? Er neigt sich zur Erde, um die Gäste zu ehren – konform zu dem, was in der Steppe üblich ist. Bescheiden lädt er den Besuch ein. „Hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so gehe nicht an deinem Knecht vorüber.“ Das Hygiene-Konzept stimmt: Abraham leitet die entsprechenden Maßnahmen ein, lässt Füße waschen und sorgt für eine schattige Begegnung unter freiem Himmel – unter einem Baum. Hoffentlich nicht im öffentlichen Raum, denken wir heute. Aber damals gab’s keine Corona-Verordnung. Und dann wird vorbereitet: Sara, die Ehefrau wirft den Backofen an und produziert Plätzchen, nein: Brote. Ein Kalb wird geschlachtet. Haben Sie schon den Weihnachtsbraten eingekauft? Dann wird das Kalb zubereitet und serviert und Abraham ist ganz Servus, Knecht, Sklave: Er steht vor den Gästen, während sie essen.
Jetzt löse ich die Spannung auf und sage ihnen, wie der erste Vers unseres Textes zur Predigt heißt: „Und der HERR (HERR – hier steht im Text der Name Gottes!) erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war.“
Gott selbst hatte Abraham und Sara besucht, sagt die Bibel. Aber ich bin mir ziemlich sicher: Abraham hatte das nicht sofort gerafft, nicht gleich gemerkt! Erst hinterher wurde ihm das klar, vielleicht erst ein paar Monate später: Das war der HERR, Jahwe persönlich, Gott in Person. Ach nein, sogar in drei Personen! Sie haben richtig gemerkt: Menschen christlichen Glaubens haben in diesen drei Männern, Personen – eben hinterher – die Dreifaltigkeit Gottes entdeckt: Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist.
Aber das Spannende finde ich: Hinterher haben Sara und Abraham entdeckt. Vielleicht haben sie es nur geahnt, vermutetet, waren sich nicht ganz sicher. Aber im Nachhinein haben sie es dann doch so gesehen: Der Besuch dieser drei Männer, das war GOTT! IHM sind wir entgegengelaufen! IHM haben wir alles bereitet.
Könnte es sein, dass wir auch diese Entdeckung machen?
Für IHN sind die Plätzchen im Ofen verbrannt. Für IHN haben wir neue gebacken. Für IHN haben wir den ganzen Schmuck aufgehängt und die Lichter angezündet, den Braten eingekauft und den ganzen Vorbereitungsstress hinter uns gebracht.
Für IHN haben wir die ganzen mühevoll für die Präsenz geplanten Gottesdienste nochmals umgeworfen und alles nochmal neu überlegt. Für IHN in die Technik investiert, dass wir Gottesdienste übers Internet übertragen können. Für IHN haben wir alles vorbereitet mitten in der Hitze der Pandemie unter all den schwierigen Bedingungen. Für IHN, den lebendigen Gott, der das Beste für uns will, der uns zeigt in der Geburt von Weihnachten, dass er zu uns kommt und uns jeder Zeit näher ist als unser Mund-Nasen-Schutz: Für IHN haben wir das alles getan, wer ER uns besucht!
Klammer auf: Nein, ich habe nicht für ihn gebacken. Das hat meine Frau gemacht. Aber für IHN habe ich das eine oder andere Geschenk eingekauft und auch den Weihnachtsbaum. Für IHN, indem ich es für andere gemacht habe.
Früher war mir wichtig zu Weihnachten zu sagen: Wie feiern nicht (nur) das Fest der Liebe, wir feiern die Geburt Jesu. Wir feiern nicht (nur) das Fest der Familie, sondern das Fest der Familie Gottes.
Heute ist mir wichtig zu sagen: Mit der Liebe, die wir feiern, feiern wir die Geburt Jesu. Mit jeder Geste der Gastfreundschaft feiern wir die Gegenwart Gottes! Denn wer weiß, was uns Gott durch die Lieben, die wir so gut bewirten, zu geben und zu sagen hat? Wer weiß, wie sehr er uns die Dankbarkeit gönnt, die uns in denen entgegenkommt, die wir zum Fest verwöhnen? Wie er uns begegnen will in leuchtenden Kinderaugen und faltigen Händen, die in die unseren gelegt sind. Wer weiß, wie sehr er uns die Geborgenheit bei vollem Bauch und Kerzenschimmer gönnt.
Vielleicht hat Abraham später gedacht: Wenn ich gleich gewusst hätte, dass es Gott war, der mich besucht? Was hätte ich ihn noch gefragt? Hätte ich mich hingesetzt, anstatt zuerst ein Kalb zu schlachten und dann vor ihm zu stehen?
Liebe Gemeinde lasst uns in allem, was wir feiern und tun, in aller Tradition und allem, was in diesen Tagen ganz anders ist als die Tradition dieses tun: Gott als Gast empfangen, in der größten Offenheit, mit dem besten Essen, mit ganzem Einsatz und voller Präsenz! Und egal, ob wir an die Grenze der erlaubten 10 Personen kommen; egal, ob wir stattdessen in der Distanz viele und lange Telefongespräche führen, Päckchen einpacken oder gespannt auspacken, egal, welche Geschichten wir uns erzählen: Lasst uns darin Gottes Gegenwart feiern!
Nun gut: Ich entschuldige mich dafür, dass ich solch eine Idylle zeichne, solch eine heile Welt. Manche werden denken: Das bevorstehende Fest wird nicht schön. Es wird furchtbar. So völlig anders. Der Stress auf der Intensivstation. Die Einsamkeit. Der abgesagte Besuch. Und die ganzen Vorbereitungen könnte ich mir gleich sparen. Ein Trost: Auch der Besuch Gottes bei Abraham und Sara geschah nicht hinein in ein Weihnachtsidyll! Es war ein Besuch bei einem frustrierten Ehepaar, das voller Resignation und Hoffnungslosigkeit in die Zukunft blickte. Wir hören weiter auf den Predigttext:
9 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10 Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11 Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12 Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt! 13 Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14 Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15 Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.
Sara ist aus der Fassung gebracht. Da kann sie nur noch lachen. So alt wie sie war – es ging ihr nicht mehr „nach der Frauen Weise“. Auf deutsch: Sie hatte keine „Tage“ mehr, keine Monatsblutung. Schwangerschaft – never ever. Und dass Abraham in hohem Alter nochmal Lust zur Liebe bekommen könnte. Unvorstellbar! Die Zeiten sind vorbei.
Machen wir uns klar, was für Abraham und Sarah dieses Kind bedeutet:
Das Leben geht weiter. Wir können Leben weitergeben.
Gottes Versprechen erfüllt sich. Unser Hoffen und Vertrauen war nicht umsonst.
Unser mühsamer Weg aus dem Gewohnten hinaus in ein neues Land hat sich gelohnt, weil unsere Nachkommen da wohnen werden.
Ja, wir können etwas sehen von der Segenslinie, die von uns beiden ausgeht, denn wir sollen ja letztendlich für alle Völker ein Segen sein.
Vielleicht hätte Sara noch den absoluten Lach-Flash gekriegt, wenn man ihr gesagt hätte, dass der Name ihres Sohnes im Stammbaum des wichtigsten Sohnes der Welt an zweiter Stelle stehen würde: Am Anfang des Matthäusevangeliums heißt es: „Abraham zeugte Isaak“ und dann geht es weiter in einer langen Reihe bis zu „Josef, dem Mann Marias, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus.“
So viel zu Gottes Möglichkeiten, die alles übersteigen, was wir Menschen für möglich halten! Was halten wir für möglich? Was hältst du für unmöglich? Lasst so mich ein paar Unmöglichkeiten nennen:
Unmöglich, dass dieses Weihnachtsfest so schön wird wie sonst.
Unmöglich, dass wir zum Jahreswechsel richtig einen drauf machen!
Unmöglich, dass ich mich noch mal ändere!
Unmöglich, dass ich mich mit dem oder der wieder vertrage!
Unmöglich, dass wir uns jetzt in diesem Moment als Gemeinde nahe sind!
Unmöglich, dass ich meine Angst und meine Traurigkeit los werde!
Unmöglich, zu frohlocken, wo wir doch alles down-locken!
Unmöglich, dass ein eingefleischter Zweifler oder Agnostiker, anfängt, Gott zu vertrauen.
Ja, unmöglich, wenn wir nur an unsere Möglichkeiten denken. Aber: Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Gott steht außerhalb des Rahmens unserer Möglichkeiten. Er ist so gebunden, wie wir gebunden sind. Unsere Systeme sind begrenzt, aber nicht Gott. Das wäre doch gelacht …
Und manchmal braucht Gott noch nicht einmal ein Wunder, um Unmögliches möglich zu machen und Undenkbares vorstellbar. Vielleicht braucht er nur von uns eine gute Idee.
Der Vetter meiner Frau hatte so eine: Am 2. Januar wird – wenn’s klappt – der Hundertelfzigste Geburtstag seiner Großmutter gefeiert – ja gut in ihre Abwesenheit – sie verstarb in hohem Alter – aber dafür mit sämtlichen Urenkeln! Unmöglich, hätte ich gedacht, dass wir so nochmal zusammenkommen. Und jetzt endlich wird es was. Sie haben richtig erraten: Wir planen das als Video-Konferenz. Das wird schön!
Und es wird auch so ein „Besuch“, bei dem sich Gott selbst in die Runde setzen kann. Ich bin gespannt.
Ihr Lieben, denkt daran. Ich fasse es zum Schluss nochmal zusammen:
In allem, was ihr jetzt vorbereitet für die Besuche, zum Fest, zum Feiern, sei es in naher oder ferner Verbundenheit: Tut es in dem Vertrauen darauf, dass Gott selbst euch in all dem begegnet, dass Gott selbst euch besucht!
Und vertraut darauf, dass Gott euch überraschen und beschenken kann, mit Dingen, die ihr nicht für möglich haltet! Bei IHM ist nichts unmöglich!
Amen.
Stephan C. Thomas, Pfarrer, Vakanzverwalter der Pfarrei Heidelsheim und Helmsheim
in diesen Tagen zu erreichen unter 0160-7965863