Predigt für Sonntag 14.02 zu Jesaja 58, 1 – 9a von Christian Buhr
Download-Link für Predigt Sonntag Estomihi Jesaja 58, 1 – 9a 14.02.2021
Eine Schlagzeile in dieser Woche war bezeichnend für unsere aktuelle Situation: Die Mutter von Jürgen Klopp1 ist gestorben. Und aufgrund der Corona-Pandemie war es für ihn nicht möglich, an der Beerdigung teilzunehmen. So ging es vielen Menschen, in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt in den vergangenen Wochen und Monaten. Trauerfeiern dürfen nur im kleinsten Kreis gefeiert werden. Treffen in größeren Gruppen waren und sind nicht zulässig, schon gar nicht in geschlossenen Räumen. Begegnungen sind sehr stark eingeschränkt. Es bleiben Emails, Postkarten, Briefe, Telefonate oder, wie heute morgen hier im Gottesdienst, Videokonferenzen. Wir sind durch dieses kleine Virus zu einem „Begegnungs-Fasten“ gezwungen worden.
Auch wenn es weder die üblichen Prunksitzungen, Karnevalsfeiern oder Faschingsumzüge gibt, so ist doch in drei Tagen Aschermittwoch und die Fastenzeit beginnt. Haben Sie, habt Ihr euch etwas vorgenommen? Es gibt ja verschiedene Angebote wie Klimafasten, 7 Wochen ohne Blockaden oder auch Sieben Wochen anders Leben. Jedes der Angebote setzt eigene Schwerpunkte. Oder man nutzt die Fastenzeit ganz individuell.
Fasten bedeutet für die meisten, auf etwas zu verzichten. Mancher will mit dem Verzicht gewohnte Verhaltensweisen durchbrechen und sich bewusst mit seinem Verhalten auseinandersetzen. Andere wollen die durch den Verzicht neu gewonnene Zeit nutzen, um mehr oder neu mit Gott ins Gespräch zu kommen, Bibellesen und Beten als Stichworte. Jeder, der Fasten so versteht, hat schon einen ersten Schritt getan. Gerade in traditionell geprägten Gegenden wird Fasten aber eher als Ritual gepflegt. Ja, man verzichtet auf Alkohol und Süßigkeiten, und Freitags auch noch auf Fleisch. Aber ansonsten läuft das normale Leben weiter wie immer. Die Fastenzeit wird nicht als etwas besonderes oder außergewöhnliches wahrgenommen und es werden auch keine Verhaltensweisen auf den Prüfstand gestellt. Ein solches Verhalten in der Fastenzeit ist keine neue Entwicklung, wie wir am Predigttext aus dem Alten Testament sehen:
(Lesen Jesaja 58, 1 – 5)
Für eine kurze geschichtliche Einordnung: Die Situation in Israel hat sich nach der Rückkehr aus dem Exil nicht so entwickelt, wie die Juden sich das erhofft haben. Jerusalem ist noch nicht wieder vollständig aufgebaut, Gott wohnt nicht als großer König unter ihnen. Stattdessen tägliche Plage und Mühsal, Ausbeutung und Unterdrückung, Reichtum und Armut, Verschwendung und Existenzangst Seite an Seite. Gläubige Juden halten die Ge- und Verbote aus der Thora ein, auch das Fasten. Sie rufen im Gebet zu Gott, dass er seine Verheißungen wahr macht. Und sehen doch, dass es aus ihrer Sicht nicht wirklich vorwärts geht. Jesaja bekommt als Prophet Gottes die unangenehme Aufgabe, dem Volk Israel einen Spiegel vor zuhalten.
Der Kern der zeitlosen Botschaft ist: Gott ist kein Automat – oben religiöse Übungen wie Fasten und Beten und Gottesdienstbesuch rein, unten ein gutes Leben und Gottes Wohlgefallen und seine Gegenwart heraus.
Es wird auch die Begründung mitgeliefert: Euer religiöses Verhalten und euer sonstiges Handeln passen nicht zusammen. Wenn ihr Kirchenfrömmigkeit und religiöse Ritualen nur mitmacht, um bei Gott Pluspunkte zu sammeln, sind es Rituale ohne Inhalt.
Rituale geben einerseits halt, weil sie immer gleich ablaufen. Man muss nicht immer wieder neu über die Durchführung nachdenken. Aber Rituale wollen mit dem Herzen gestaltet werden, ihr müsst trotzdem ganz bei der Sache sein und sie nicht einfach abspulen wie einen bekannten Film. Und schließlich sind Rituale nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist euer Handeln, das den Glauben widerspiegelt.
Zeitlos ist diese Botschaft, weil auch in unserer Zeit die eine Stunde Gottesdienst am Sonntag für manche ausreicht, um sich für einen guten Christen zu halten. Als ob ich ein Auto werde, wenn ich mich in die Garage stelle.
Lasst uns die nächsten beiden Verse des Bibeltextes lesen. Gott lässt uns darin nicht im Ungewissen, wie er sich unser Handeln vorstellt:
(Lesen Jesaja 58, 6 – 7)
Wem bei diesen Versen die Endzeitrede Jesu einfällt, der kennt seine Bibel gut. Im Evangelium nach Matthäus sagt Jesus über das Weltgericht: (lesen Matthäus 25, 34 – 36 + 40b)
Jesus bezieht sich nahezu wörtlich auf die Jesaja-Stelle, um das richtige Handeln hervorzuheben, um Nächstenliebe an praktischen Beispielen darzustellen. Und nebenbei bemerkt, in den christlichen Kirchen mit größerer Fastentradition ist folgendes festgelegt: Die Kirche schreibt den Gläubigen nicht konkret vor, wie das Fasten und Büßen erfolgt. Drei ineinander verschränkte Elemente bilden gemeinsam die Einstimmung auf das bedeutsame Osterfest: 1. Gebet, Fasten und Verzicht, 2. Freigebigkeit (Spenden) und 3. Fürsorge (Nächstenliebe).
Lasst uns kurz darüber nachdenken, wie wir das verstehen können.
Ich möchte es so formulieren: Herz und Handeln sollen eine Einheit bilden. In der Fastenzeit heißt dies, mit dem Herzen beim Fasten und Büßen dabei zu sein und die Verbindung zu Gott zu suchen. Mein Handeln im Alltag zeigt dies nach Außen sichtbar für alle anderen und hilft damit denen, die schlechter dran sind als ich selbst.
Jetzt könnten wir den Eindruck gewinnen, dass in unserem reichen Land das Handeln nicht so erforderlich wäre und außerdem ja auch ein soziales Netz aufgespannt ist. Aber mein Handeln kann im Kleinen und im engen Umkreis beginnen. Vielleicht gibt es einsame oder kranke Menschen, die sich über einen Anruf und ein Gespräch freuen. Und wie geht es eigentlich den Nachbarn rechts, links und gegenüber aktuell mit den Corona-Einschränkungen? Das wäre ein Handeln zum Stichwort Fürsorge oder Nächstenliebe. Freigiebigkeit kann sich darin zeigen, dass ich das durch Verzicht gesparte Geld dann solchen Organisationen spende, die sich um Arme und Bedürftige kümmern, gerne auch weltweit. Denn durch die Weltwirtschaft ist heute nicht gerecht: Dass es Armut in vielen Ländern gibt, ist dem Egoismus und dem Verhalten der reichen Wirtschafts- und Industrienationen der westlichen und östlichen Welt zuzurechnen.
Ein letzter Teil des Textes für heute folgt noch. Mit den Worten Jesu aus dem Matthäus-Evangelium wird etwas Zukünftiges angesprochen, das Weltgericht und der Beginn der Ewigkeit. Etwas, das vielleicht erst nach unserem Tod beginnt. Aber Gott vertröstet uns nicht auf das Jenseits. Er wird unser Handeln auch schon in unserem irdischen Leben belohnen:
(Lesen Jesaja 58, 8 – 9a)
Wie können wir diese Verse jetzt verstehen?
Unser Handeln ist der nach außen wirkende Glaube an Gott. Diesem Handeln werden verschiedene Verheißungen, also Zusagen des Heils, gegeben.
Wie das Licht der Morgenröte am Ende der Nacht: Manchen Menschen geht es nicht gut, sie empfinden es selbst als Dunkelheit, in der sie sich befinden. Das kann durch Krankheit, Armut oder Schuld hervorgerufen werden. Unser Handeln, z.B. ein Besuch und ein Gespräch, kann dann wie ein Lichtschein wirken. Gottes Licht wird zu ihnen gebracht. Sie erkennen, dass Gott sie nicht vergessen hat.
Deine Heilung wird schnell voranschreiten: Unser Herz und Handeln kann auch dazu führen, dass wir selbst davon etwas haben, wir befreit oder gesund werden. Dies kann im emotionalen Bereich erfolgen. In unserer Konsumgesellschaft wird das „Haben wollen“ gefördert. Werbung versucht, einen Wunsch in uns zu wecken, den wir dann befriedigen wollen. Wer sich beim Fasten darüber klar wird, was er wirklich benötigt, kann sich von unnötigem trennen. Dies befreit von der Last, immer mehr haben zu müssen.
Und es kann im körperlichen Bereich erfolgen, weil Gott uns ganz konkret auch körperliche Heilung zusagt. Was aber nicht bedeutet, dass Gott grundsätzlich jede unserer Krankheiten sofort und auf der Stelle heilt, nur weil ich einmal dafür gebetet habe.
Deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen: Unser Handeln bleibt nicht unbemerkt. Ich habe in der Schule einmal in Religion eine gute Note für meine Mitarbeit bekommen. Nicht, weil ich so viel im Unterricht gesagt oder mitgearbeitet hätte. Ich war eher still. Zu der Zeit habe ich die Bubenjungschar geleitet. Ein Jungscharler war auf unserer Schule und beim gleichen Religionslehrer. Bei einem Elterngespräch hat die Mutter sich lobend über die Jungschar und den Leiter geäußert. Das führte dazu, dass der Lehrer mir die gute Note gegeben hat.
Vielleicht wäre es damals und heute viel einfacher, wenn Gott sich mit der korrekten Befolgung von Speisegeboten und Fastenregeln zufrieden geben würde. Aber so sind wir herausgefordert, unser Handeln zu überprüfen: Gottes Anspruch auf unser Leben beschränkt sich nicht auf den Besuch des Gottesdienstes, Kirchenfrömmigkeit und das Einhalten religiöser Vorschriften, sondern auf unser ganzes Leben.
Erst aus der Einheit von Herz und Handeln ergibt sich eine veränderte Beziehung zu Gott. Mit dem Herzen dabei sein und Handeln aus Nächstenliebe werden bei Gott nicht unbemerkt bleiben. Daraus wächst eine neue Qualität der Beziehung zwischen Gott und Dir, von der ich sicher bin, dass Du es bemerken wirst. Jesaja drückt es so aus: Du wirst rufen, und Gott wird antworten und sagen: „Hier bin ich“.
Amen.
1 deutscher Trainer des englischen Fußballvereins FC Liverpool