Predigt für Sonntag 27. Dezember 2020 zu Lukas 2,25-38 von Pfarrer Thomas
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Predigt für die evangelischen Kirchengemeinden
Heidelsheim und Helmsheim
Am 27. Dezember 2020,
1. Sonntag nach dem Christfest,
Predigttext: Lukas 2,25-38
Ein herausforderndes Kind
Liebe Gemeinde,
der Text zur Predigt für den heutigen Sonntag steht im Lukasevangelium, im 2. Kapitel – also im gleichen Kapitel wie die berühmte Weihnachtsgeschichte – ab Vers 25 bis 38. Jesus wurde in Betlehem geboren, in relativer Nähe zur Hauptstadt Judas: Jerusalem. Weil Jesus der Erstgeborene der Maria war, folgten Maria und Josef der Tradition und brachten ihren Säugling zum Tempel in Jerusalem, um ihn zu „heiligen“ und ein Opfer – zwei Turteltauben – für ihn darzubringen. Hier beginnt unsere Erzählung. Auf dem Tempelgelände trifft nämlich die kleine Familie auf zwei alte Menschen, Hanna und Simeon. Beide erkennen, die besondere Bedeutung von Jesus und Simeon schaut voraus auf das, was aus dem kleinen Jungen einmal werden wird.
Vielleicht noch eine weitere Vorbemerkung. Es kommt das Wort „Christus“ vor. Dieses Wort ist griechisch – in der Sprache des Neuen Testamentes. Es ist nicht der Nachname von Jesus sondern der Titel. Es ist das hebräische Wort „Messias“ ins Griechische übersetzt: Im Deutschen: Der Gesalbte. Und gemeint war damit der von so vielen ersehnte König Gottes, der Nachkomme des legendären Davids, der ja auch in Betlehem geboren war:
25 Und siehe, ein Mensch war in Jerusalem mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war auf ihm. 26 Und ihm war vom Heiligen Geist geweissagt worden, er sollte den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. 27 Und er kam vom Geist geführt in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, 28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: 29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; 30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, 31 das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, 32 ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel. 33 Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. 34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel fallen und viele aufstehen, und ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird – 35 und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden. 36 Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser. Sie war hochbetagt. Nach ihrer Jungfrauschaft hatte sie sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt 37 und war nun eine Witwe von vierundachtzig Jahren; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht.38 Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
Eltern wissen, was ich meine, wenn ich von einem „herausfordernden Kind“ spreche. Am Anfang ist es vielleicht noch ganz süß. Vielleicht sogar pflegeleicht, in der Wiege schnell ruhig zu kriegen, schnell zufrieden zu stellen an der Mutterbrust oder mit dem Fläschchen. Aber irgendwann kommt der Moment, da wirbelt es denn Alltag durcheinander, bringt die ganze Familie zum Rotieren und wird richtig anstrengend. Ein herausforderndes Kind!
Bei manchen zeigt es sich schon an dem Punkt, wo das Kleinkind Stück für Stück die Wohnzimmer-Einrichtung zerlegt, bei anderen ist der Tag der Offenbarung die berühmte Pubertät, wenn ein Jugendlicher seinen eigenen Willen entdeckt, ja entdecken muss. Und dann gibt es auch die Herausforderung, die wir mit erwachsenen Kindern haben. Da kann es sein, dass das eine oder andere Verhalten einem einen Stich durch’s Herz fahren lässt. Herausforderndes Kind!
Simeon, dem alten gottesfürchtiger Mann, wird es durch den Geist Gottes gezeigt: Der Säugling auf meinen Armen: Das ist der erwartete Messias, der Christus. Er ist der Heiland, der Retter Israels und das Licht für die ganze Welt. Welch ein Kontrast: Das kleine Kind auf den Armen und gleichzeitig alle Völker im Blick.
Aber Simeon sieht noch etwas Anderes: Das ist ein herausforderndes Kind. Der wird nicht pflegeleicht bleiben. Der wird Diskussionen auslösen. Er wird polarisieren: Die einen werden sich an ihm stoßen und sich von ihm abwenden und andere werden sich auch an ihm stoßen, aber ihm folgen und sich an ihm aufrichten.
Kennen sie das, wenn einem die eigenen Kinder vorhalten, wie man ist? Das kann einem ziemlich zerlegen, was man sich über sich selbst zurechtgelegt hat. Herausfordernde Kinder können einem manchmal brutal den Spiegel vorhalten und deutlich machen, wie es eigentlich in unserem Herzen aussieht, zum Beispiel, wenn sie uns sagen: So wie du will ich nicht sein.
Jesus – das Kind in der Krippe – das Kind auf den Armen von Simeon – wird ein herausforderndes Kind!
Da gab es im damalige Israel Menschen, die sich vom Messias erwarteten, dass er sie mit Waffengewalt aus der Gewaltherrschaft der Römer befreit. Viele hatten solche Vorstellungen von einem Heiland, einem Retter.
Und dann stellt sich Jesus hin und sagt: Kämpft! Riskiert euer Leben! Setzt alles ein, was ihr habt, … um eure Feinde zu lieben, und denen Gutes zu tun, die euch hassen.
Jesus forderte Menschen heraus, eine Entscheidung zu treffen. Und es gab Menschen, die ihm folgten und sich darauf einließen. Und andere lehnten ihn ab und wandten sich von ihm ab.
Und das ist heute nicht anders. Ganz ehrlich: Diese Herausforderung hat nichts in ihrer Spitze verloren. Zumindest, wenn wir den Jesus – wie ihn uns die biblischen Texte zeigen – ernst nehmen, und nicht nur einen weichgezeichneten Kuschel-Jesus.
Liebet eure Feinde, eure Gegner, die euch das Leben schwer machen – die können manchmal recht nah sein! Segnet sie!
Sucht nicht in Gut und Geld eure Sicherheit. Das nimmt euch gefangen und nur Gott macht euch frei!
Baut nicht darauf, wie gut ihr euch verhaltet, sondern darauf, dass Gott barmherzig ist! Legt euren frommen Stolz ab, ihr Heuchler!
Solche Herausforderung schneiden durch’s Herz. Da bin ich nicht mehr nüchtern-gelassen, wenn ich so was an mich ranlasse. Das ist erstmal als hätte ich mir den Kopf irgendwo angeschlagen oder den Zeh!
Und so ist Jesus auch heute Morgen, hier im Moment, das herausfordernde Kind. Jesus wirkt jetzt an unseren Herzen durch seinen Heiligen Geist. Darf ich dich fragen: Wo ging dir in letzter Zeit ein Stich durch’s Herz? Worüber bist du gestolpert? Woran hast du dich gestoßen? Wo hat jemand einen wunden Punkt berührt?
Vielleicht ist genau das der Punkt, an dem das herausfordernde Kind, Jesus, an unserem Herzen arbeiten möchte. Der Punkt, am dem er es verändern möchte zum Guten.
Und nun ist dieses noch wichtig dabei zu bedenken: Jesus provoziert uns. Aber er überwältigt uns nicht. Er wirkt an uns nicht dadurch, dass er uns fertig macht, nach dem Motto: Wie kannst du nur!
Die tiefste Herausforderung aber auch gleichzeitig das Wohltuende liegt darin, dass er für uns gestorben ist am Kreuz. Das Kreuz: Das ist das Zeichen, dem widersprochen wird. Ein Messias am Kreuz, der König am Fluchholz. Das geht doch nicht. Meine Schuld so schlimm, dass einer dafür stirb? Unerhört!
Simeon sieht es voraus, wie das Zeichen des Kreuzes die Menschen polarisiert. Und er sieht auch Maria, seine Mutter vor diesem Kreuz stehen, wenn er zu ihr sagt: auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen.
Seht den Schmerz der Mutter, die ihren Sohn verliert. Aber seht auch den Schmerz Gottes, der sich in Liebe nach uns sehnt – sogar nach denen, die sich von ihm abgewandt haben. Seht die Liebe selbst zu Feinden, seht die Vergebung der Sünden, die dort erwirkt wurde.
Vor dem, der für dich am Kreuz starb, dürfen deine Gedanken offenbar sein. Auch wenn es schmerzhaft ist, daran erinnert zu werden:
Die Scham, schuldig geworden zu sein.
Die Wunde der Verletzung, die wieder geöffnet wurde.
Das familiäre Dilemma, an das uns Weihnachten wieder erinnert.
Der Knoten, der immer noch nicht gelöst ist.
Die Wahrheit darüber, worin wir uns verstrickt haben, gebunden sind, und selbst nicht mehr herausfinden.
Weil es Jesus, dieses Kind ist, Jesus, der Christus, ist es heilsam, wenn wir ihm begegnen. Weil es Jesus ist, führt es zum Leben, wenn wir uns seiner Herausforderung stellen.
Du wirst befreit durch seine Vergebung. Du wirst getröstet, weil er mit dir das bleibend Schwere aushält. Du erfährst Lösungen, weil er neu mit dir anfängt.
Liebe Gemeinde, ist es nicht so? Es wäre uns manchmal ganz recht, wenn uns das Kind nicht so herausfordern würde. Wir würden es lieber in der Krippe ruhiggestellt wissen.
Es wäre bequemer, wenn es uns nicht in das Gewissen reden würde, uns nicht an die heiklen Punkt erinnern würde, Licht in die dunklen Stellen in unseren Herzen bringen würde.
Aber nur weil es uns herausfordert, kann es auch heilen. Nur weil es uns Anstoß gibt, bringt es uns dazu, aufzustehen.
Wie machen wir das bei normalen herausfordernden Kindern? Klar, wir nehmen sie so an wie sie sind, und nehmen die Herausforderung an, die sie in unser Leben bringen.
Jesus ist das besondere, herausfordernde Kind. Er provoziert uns zum Heil. Wo Feinde geliebt werden, kann Frieden werden. Wo wir unsere Wunden dem am Kreuz verwundeten zeigen, kann Heilung geschehen.
Deshalb bitte ich dich: Nimm dieses Kind, Jesus, und seine Herausforderungen an! Lass ihn hinein in die Gedanken deines Herzens. Lass es zu, dass er dich aufrichtet, erhebt.
Ach nein, denkst du vielleicht immer noch: Ich bin aber ein hoffnungsloser Fall, mir wird das nichts bringen.
Lasst mich zum Schluss eine Beobachtung teilen, die ich im letzten Abschnitt unseres Textes zur Predigt gemacht habe. Da ist von der Prophetin Hanna die Rede, eine Tochter Phanuels, aus dem Stamm Asser.
Auch sie erzählt allen, die wie sie auf die „Erlösung Jerusalems“ warten von diesem besonderen Kind. Das interessante Detail: Sie gehört zum Stamm Asser. Das ist ein Stamm Israels, der eigentlich schon 700 Jahr vor Jesu Geburt nicht mehr existierte. Weil das Nordreich Israels im Jahr 722 vor Christus aufgelöst wurde und auch das Gebiet des Stammes Asser dazu gehörte, zählte Asser zu den verlorenen Stämmen Israels. Es gab wohl nur einige Familie, in denen man wusste: Wir gehören noch zum Stamm Asser. Aus einer solchen Familie stammte Hanna. Ihr Name heißt „Gnade“.
Nun begrüßt hier Hanna das Jesus-Kind als den Messias, als die Erlösung Jerusalems. Und damit ist uns erzählt: Es gibt keine hoffnungslosen Fälle, es gibt keine verlorenen Stämme. So tief reicht die Gnade Gottes.
Weil Gott gnädig ist, sandte er uns dieses herausfordernde Kind: Jesus, den Christus.
Amen.
Stephan C. Thomas, Pfarrer, Vakanzverwalter der Pfarrei Heidelsheim und Helmsheim
in diesen Tagen zu erreichen unter 0160-7965863