Predigt zu Johannes 18,1-11 für Sonntag 7. März 2021 von Andreas Wellmer
Predigt zu Johannes 18,1-11 zum Download als PDF
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft seines Heiligen Geistes sei mit uns allen. – Amen.
Einstimmung – Eine Vorbemerkung
Könnt Ihr Euch das vorstellen? : Ein weites Land mit einer mehr als tausendjährigen christlichen Tradition und wunderschönen Kirchen. – Aber nun bleiben fast alle Kirchen für Gottesdienste verschlossen; Weitergabe von Bibeln ist strengstens verboten. – Davon habe ich etwas miterlebt.
1.Beispiel: 1977 ging ich in Moskau in eine große Kirche. Gottesdienste waren dort schon lange nicht mehr gestattet. Stattdessen eine Ausstellung für Tiefseefische. – Die Tür einer Besenkammer stand offen. Und da sah ich IHN. Eine lebensgroße Statue aus Holz. Jesus, sitzend, traurig nach unten blickend, an einen Stein gekettet.
Jesus? – Weg mit ihm, in die Besenkammer! – Fast 90% nur geschlossene Kirchen, für Gottesdienste ein nahezu kompletter shut down. – Jesus? Der muss weg! – Welcher Hass, welche Wut, welche Verblendung! – Jesus? – Der muss weg! – Nicht erst in der Zeit des kalten Krieges im damals kommunistischen Russland! – Sondern schon viel früher in dem sich fromm gebenden Israel.- Jesus? Der muss weg! (UdSSR: eine Bibel kostete 1977 auf dem Schwarzmarkt mehrere Monatsgehälter!)
- Glanz der Ewigkeit
Es ist Nacht. Jesus ist mit seinen elf Jüngern im Garten Gethsemane. „Als nun Judas die Schar der Soldaten mit sich genommen hatte und Knechte von den Hohepriestern und Pharisäern, kommt er dahin mit Fackeln, Lampen und Waffen.“ Und Judas gibt Jesus den Judas-Kuss. Offensichtlich reicht das nicht für die Schergen der Machthaber, um IHN in der Dunkelheit zu identifizieren Denn: „…nun trat Jesus nach vorne und sprach zu ihnen (den jüdischen und römischen Häschern): Wen sucht ihr? Sie antworteten ihm: Jesus von Nazareth. Er spricht zu ihnen: Ich bin´s.“
Dieses „ich bin“ (griechisch: egó eimí; nicht: ich bin es) ist im Griechischen – die Sprache des Neuen Testamentes – ein Ausdruck, der ausschließlich für GOTT reserviert ist.
„Ich bin“, da steht den jüdischen Knechten sofort Mose vor Augen: Wie Gott sich ihm damals am Dornbusch (2. Mose 3) offenbart: „Ich bin der ich bin“; „sage ihnen, der ´Ich bin´ hat dich gesandt“. Die Jünger hören hier bei der Verhaftung dies „ich bin“, Judas hört es mit. „Ich bin“! „Ich bin das Licht der Welt“; „Ich bin der Weg“; „Ich bin das Brot des Lebens“; „Ich bin die Auferstehung und das Leben“; „Ich bin DER gute Hirte“. –
Jesus tritt den Knechten der Christusfeinde entgegen: Der „ich bin“ steht vor euch. Eine Autorität ohnegleichen. – Und was geschieht?
„Als nun Jesus zu ihnen sagte: Ich bin´s! wichen sie zurück und fielen zu Boden.“ – Genau dieser Augenblick wird in dem Bild aus dem 19. Jahrhundert dargestellt, das wir hier vorne sehen, und das Sie hier in der Kirche in Händen halten.
Der große Schweizer Ausleger Lüthi sagt mitten im Grauen des Zweiten Weltkrieges: Der „ich bin“ hält „seine Hände dem Strick des Häschers hin. Sie können ihn verhaften, aber er ist das Licht der Welt. Sie können ihn mit Kot bewerfen, seinen Namen verwüsten, ihn mit Hohn und Geifer überschütten, aber eins können sie nicht ändern, dass er das helle, alle Zeit und alle Welt erleuchtende Licht ist und bleibt. … Dies majestätische ´Ich bin’ hält er denen entgegen, die ihn zu zertreten gedenken. Er sagt es den Kriegsknechten, er sagt es aber auch dem Judas … Er sagt es für seine Jünger… er sagt es so, dass alle Teufel es hören müssen… er sagt es vor den Ohren der Engel.“
Nicht die ihre Macht Missbrauchenden sind stark, auch wenn er nun zu unterliegen scheint. „Wer Gott mit sich hat, der kann auch einmal getrost unterliegen, denn es gefällt Gott, durch Niederlagen hindurch zu siegen.“ In der Tat, es gefällt Gott auch heute bisweilen, „durch Niederlagen zu siegen“.
- Annahme des Leide(n)s
Es bleibt nicht bei dem einen „Ich bin´s“; ein Zweites kommt hinzu: Da fragt Jesus die mühsam sich erhebenden Wachen „abermals“: „Wen sucht ihr? Sie aber sprachen: Jesus von Nazareth. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, ich bin´s. Sucht ihr mich, so lasst diese (seine Jünger) gehen!“
Hier handelt Jesus bei seiner Gefangennahme, – nein, bei seinem ´sich gefangen geben´ – als der gute Hirte („Ich bin der gute Hirte.“), der für die Seinen sorgt. Denn NOCH sind seine Leute nicht dazu fähig, um des Glaubens willen zu leiden. Das wird später kommen. …
Petrus aber zieht sein Schwert, um Jesus zu verteidigen. Doch der HERR weist ihn zurück: „Soll ich den Kelch (des Leids) nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“
Liebe Jugendliche, liebe Erwachsene, hier in dieser schönen Kirche, unterwegs oder zuhause vor den Bildschirmen! – „Kelch des Leids“ ? – Sie, Du, jedem von uns wird – dem einen mehr, der anderen weniger – dieser Kelch gereicht. Angefüllt mit dem, was niemand von uns will, mit Leid in seinen mannigfachen Gestalten. – Aber oft bleibt die Frage, ob letztlich „unser Vater“, der „Vater im Himmel“ uns diesen Leidenskelch gegeben hat. Oder jemand anders.
Doch wenn Sie erkennen: diese Last ist Leid aus SEINEM Kelch. Dann gilt auch Ihnen, auch Dir in Helms-und Heidelsheim, in Ennepetal und Friedrichstal, in München und Moskau, ja überall: „Soll ich den Kelch (des Leids) nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ Dann können wir die von uns zu ertragende, zu lindernde, Last mit festem und oft auch fröhlichem Herzen ganz anders annehmen aus unseres himmlischen Vaters letztlich guten Händen.
Viele singen gerne die Kehrvers-Worte von Dietrich Bonhoeffer: „Von guten Mächten wunderbar geborgen/ erwarten wir getrost, was kommen mag./ Gott ist bei uns am Abend und am Morgen/ und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Dazu gehört auch die Strophe: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern / gefüllt bis an den höchsten Rand,/ so nehmen wir ihn dankbar / ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand.“ – Bonhoeffer wurde wenig später, weil er dem Wort Jesu treu blieb und sich auch für Juden einsetzte, von den deutschen Nazis im KZ nackt am Galgen gehenkt.
„Soll ich den Kelch (des Leids) nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“
Ausklang – Ich komme zum Schluss.
Jesus? Weg mit ihm! Gemeinde? Unischtóschitj, zakrítj (vernichten, zuschließen)! Kirche? Totaler shut down! – Ausknipsen! Weg damit. Weg mit Christus und den Christen! – Feinde Christi von außen und selbst innerhalb der Kirchen. – Aber da ist ER, der „Ich bin“.
Wir erinnern uns an die eingangs erwähnte Statue: Jesus, an einen Stein gekettet traurig auf den Boden blickend, eine Holzstatue in der Besenkammer einer für Gottesdienste geschlossenen große Kirche im kommunistischen Moskau.
2. Beispiel: Jahre später sah ich eine weitere Statue. Es war in Sri Lanka in einer kleinen Kirche. Sie zeigte – ebenfalls lebensgroß – einen jungen Mann, der lief. Ich fragte: Wer ist das? Antwort: Jesus Christus, der Auferstandene, der überall zu den Menschen hinläuft. Und überall Menschen zu leidensbereiten Nachfolgern macht, zu Christen. – Überall; also auch heute hier am Ort.
Und der Friede dessen, der spricht ´Ich bin, ich war und ich werde sein´ führe unsere Herzen und Sinne in seine Rufweite. – Amen.