Predigt zu Markus 1,14.15 und Markus 3,31-35 für Sonntag 14. März 2021 von Pfarrer Thomas
Predigt zum Download mit Bildern hier. Link zum Live-Gottesdienst um 10 Uhr https://www.youtube.com/watch?v=cuwafcLkbJg
Predigt für die evangelischen Kirchengemeinden Heidelsheim und Helmsheim
Für Sonntag, 14. März 2021, Predigttext: Markus 1,14.15 und Markus 3,31-35
Verwurzelt! Zeit, Wurzeln zu schlagen!
Verwurzelt!
Von März bis Mai, Passion bis Pfingsten werden wir viele Gottesdienste unter dem Thema „Verwurzelt“ feiern. Dazu wurden wir angeregt durch das gleichna-mige Buch von Michael Herbst und Patrick Todjeras: Verwurzelt – gemeinsam Jesus und dem Leben auf der Spur. Schön wäre es, wenn „Verwurzelt“ unser gemeinsames „Gemeindethema“ für diese Zeit würde!
Gespräch mit einem Experten für Wurzeln
Ein Beitrag zu unserem Thema ist ein In-terview mit einem Experten für Wurzeln, Gerhard Eißler, Forstwirtschaftsmeister in unserem Forstrevier hier in Heidelsheim und Helmsheim. Das Gespräch fand am vergangenen Donnerstagnachmittag statt, gerade als sich eine Lücke zwischen den Regenwolken auftat. Wenn man in Helmsheim vom Friedhof her am Hasenheim vorbei in den Wald eintritt, findet man – verlässt man rechter Hand den Weg – die höchsten Bäume im Bruchsa-ler Stadtwald. Der Förster führt uns dort hin:
„Die Douglasie wurde ungefähr 1920 gepflanzt. Sie ist 50 Meter groß. Im Vergleich: Der Kirchturm der Melanchthon-Kirche Helmsheim hat 30 Me-ter. Das ist schon eine Wucht! Was man da nor-mal als Fundament braucht!“
„Wie tief geht die Wurzel rein?“
„Eine Eichenwurzel kann bis zu 40 Meter lang wer-den. Sie ist ein Pfahlwurzler. Die Douglasie hier ist ein Herzwurzler. Da ist die Wurzel im Umfang so groß wie die Krone. Die Bäume wollen mit ihrer Wurzel an das Grundwasser.“ Und dann erzählt Gerhard Eißler von der großen Trockenheit der letz-ten 18 Jahre. Davon berichten wir ein anderes Mal mehr.
Heute ich noch wichtig, was wir ihn zum Thema Standort von Sträuchern gefragt haben. Er bestä-tigte, dass viele immergrüne Sträucher bei dem starken Frost von bis zu Minus 18 Grad nicht erfroren, sondern vertrocknet seien: „Ja, das kommt nur bei den Immergrünen vor. Das Problem heißt: Frost-Trocknis. Wenn der Boden eiskalt gefroren ist und die Sonne scheint. Dann gibt es oben Verdunstung durch die Sonne. Von unten kommt aber aus dem gefrorenen Bo-den kein Wasser nach. Die Pflanze vertrock-net. Wobei wir uns ja nicht wundern müs-sen. Was da vertrocknet ist, sind exotische Gewächse. Die passen eigentlich nicht hier-her.“
So weit ein Eindruck aus dem Interview, das natürlich viel länger war. Das hätte den ganzen Corona-Kurz-Gottesdienst gefüllt. Aber in den nächsten Gottes-diensten werden wir noch mehr davon erzählen.
Predigt
Liebe Gemeinde,
das haben wir gemeinsam mit den Bäumen und Sträuchern: Wir sprechen auch bei Menschen davon, dass sie Wurzeln haben. Und wir haben auch sozusagen einen Boden, auf dem wir stehen. Wir nehmen Standorte eine, finden uns in ei-nem bestimmten Umfeld wieder. Und genauso wie bei Bäumen und Sträuchern kann das Umfeld oder sagen wir „der Boden“, in dem wir wurzeln, passend sein – oder eben auch weniger passend.
Manche von uns werden sich in ihrem Boden sehr wohl fühlen. Manche werden denken: Ich schlag mich so durch. Wieder andere haben die erschreckende Erfahrung gemacht: „Ich fühl mich wie vertrocknet. Plötzlich geht gar nichts mehr. Wo führt das noch hin?“
Was uns allerdings von Pflanzen unter-scheidet ist dieses: Wir können unseren Standort auch verändern. Wir können – zumindest ein Stück weit – entscheiden, wo wir Wurzeln schlagen. Wir kön-nen uns bewusst nach dem ausstrecken, was unser Leben fruchtbar macht. Un-ser Standort muss kein Schicksal sein. Es kann sich etwas ändern.
Jesus von Nazareth trat so ungefähr im Jahr 27 unserer Zeitrechnung öffentlich auf und sammelte eine Gemeinschaft von Nachfolgerinnen und Nachfolger um sich. Im Markusevangelium ist der Anfang seine Tätigkeit so beschrieben (aus Markus 1,14.15): Jesus kam nach Galiläa und predigte das Evangelium (die frohe Botschaft) Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium (die frohe Bot-schaft)!
Kehrt um, verändert eure Richtung, euren Standort! Es ist Zeit, Wurzeln zu schlagen in einem neuen Boden! Das ist die Einladung, die Jesus auch heute ausspricht. Hört, wir er zu uns hier in Heidelsheim und Helmsheim oder wo auch immer sagt: „Jetzt ist es Zeit! Gottes neuer Lebensraum ist bereitet! Schlagt Wurzeln des Vertrauens durch meine frohe Botschaft!“
Was sind eigentlich unsere – sagen wir mal – „natürlichen“ Wurzeln? Was wür-den Sie sagen? Was würdet Ihr sagen? Ich vermute mal, dass viele sagen wür-den: Meine Wurzeln sind in meiner Familie. Da finde ich Halt. Das gibt mir Ge-borgenheit.
Zurecht! Unsere Geborgenheiten und Gewohnheiten haben wir von unserer Fa-milie. Wie wir die Welt betrachten, haben wir als Kinder von unserem engsten Umfeld gelernt. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagen wir. Und Hand auf’s Herz: Was wir für richtig oder falsch halten, was wir uns erlauben oder nicht erlauben, was wir anderen erlauben oder nicht, das haben uns prägende Menschen in unser Gewissen hineingeschrieben. Das sind unsere Wurzeln. Auch unsere Fähigkeit und unsere Art zu lieben, haben wir in unseren Familien erworben. Und, das muss auch gesagt werden: Auch bittere Wurzeln,
Vergiftetes und schlechte Erfahrungen haben uns geprägt. Beides, das Schwie-rige und das Gute – wir sind wohl tiefer darin verwurzelt, als wir uns bewusst sind.
Und nun kommt Jesus und sagt: Schaut mal, wo eure Wurzeln sind, worauf ihr vertraut, worauf ihr euch verlasst, wonach ihr handelt! Und bitte: Schlagt in dem Boden Wurzel, zu dem ich gerade einlade, den ich euch bereite.
Insofern könnte man sagen: Jesus war ein Radikaler! Radikal kommt von latei-nisch „Radix“: Die Wurzel. Und radikal zu sein, bedeutet, etwas an der Wurzel anzugehen. Wir radikal Jesus war und wie entschieden er dem vertrauensvollen Wurzeln in Gottes Wirklichkeit den Vorzug gab, das merkt man an einer ande-ren Episode im Markusevangelium (Markus 3,31-35):
31 Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schick-ten zu ihm und ließen ihn rufen. 32 Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. 33 Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? 34 Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! 35 Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mut-ter.
Das ist wahrhaft radikal. Eine neue Familie! Ein neuer Boden, neue Wurzeln! Nicht die Familie ist die erste Beziehung, sondern die Familie Gottes ist die erste Beziehung. Wie ist dieser Boden, zu dem Jesus uns einlädt, Wurzeln zu schlagen?
Er hat zwei Kennzeichen. Das erste: In diesem Lebensraum wird getan, was Gott will: „Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ Es ist der Lebensraum des Liebesgebotes: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Das ist das Biotop der christlichen Gemeinschaft: Hier wird jede und jeder geliebt und sei er im Moment noch dein Feind.
Aber es gibt noch das zweite Kennzeichen: In diesem Lebensraum geht es nicht zuerst um das, was wir tun, sondern um das, was Gott für uns tut und getan hat. In seiner Sehnsucht zu uns Menschen sandte er Jesus. Der sagte: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Glaubt an die frohe Botschaft.“
Unsere Gesellschaft wurzelt in einem Boden, der nur anscheinend fruchtbar ist: Du musst etwas tun, Leistung bringen, gut funktionieren, um anerkannt zu sein.
Du musst selbst deines Glückes Schmied sein. Dieser Boden kann sich aber auf Dauer als tödlich herausstellen: Frost-Trocknis. Die Sonne scheint erbarmungs-los und es kommt nichts nach. In einen solchen Boden passen wir Menschen nicht hinein. Auf diesem Boden wächst keine gute Gemeinschaft. Wir konkur-rieren nur und machen uns das Leben schwer.
Jesus lädt uns ein, dass wir bei ihm Wurzeln schlagen, tiefe Wurzeln, tiefen Halt auch in Stürmen des Lebens. Ein Boden, der uns gut tut! Manche werden sa-gen: Ja, ich habe mich schon vor langer Zeit entschieden und mich da hinein-pflanzen lassen. Andere werden sagen: Ich muss diesen Boden erst einmal rich-tig entdecken.
Das ist es, wenn ich Sie bitte, beim Tiefen-Wachstums-Verbindungs Projekt na-mens „Verwurzelt!“ dabei zu sein. Lasst uns einander anspornen, unsere Wur-zeln tiefer zu schlagen in der frohen Botschaft von Jesus. Es tut uns gut.
Neulich bin ich aufgewacht und war kurz davor, einfach so in den Tag zu stol-pern. Da dachte ich an „Verwurzelt“ und ich betete zu Gott: „Lass mich an die-sem Tag nicht aus meiner eigenen Kraft leben, sondern verwurzelt in deiner Liebe.“ Amen.
Stephan C. Thomas, Pfarrer, Vakanzverwalter der Pfarrei Heidelsheim und Helmsheim, ; zu erreichen unter 0160-7965863
Bildrechte: Beim Verfasser der Predigt. Das erste Bild mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Eißler