Predigt zu Markus 7, 24 – 30 für 21.03.2021 von Christian Buhr
Download als PDF hier. Livestream am 21.03.2021 um 10 Uhr unter https://ekg-heidelsheim.de/streaming-seite/
Eine sperrige Geschichte vom Erbarmen Markus 7, 24 – 30 21.03.2021
14 – nein, das ich nicht die aktuelle Corona-Inzidenzzahl im Landkreis, in Bruchsal, Heidelsheim, Helmsheim oder Kraichtal. In einer katholischen Kirche könnten Kirchgänger mit Traditionsbewusstsein vielleicht darauf kommen: Es gibt 14 Werke der Barmherzigkeit, sieben leibliche und sieben geistliche, abgeleitet aus der Bibel, z.B Hungrige speisen, Kranke und Gefangene besuchen, Almosen geben. Jedes dieser Werke ist hilfreich, nützlich und sinnvoll. Wir müssen uns allerdings die Frage stellen: Was ist unser Antrieb dazu?
Markus berichtet uns folgende Begebenheit:
24 Und er (Jesus) stand auf und ging von dort in das Gebiet von Tyrus. Und er ging in ein Haus und wollte es niemanden wissen lassen und konnte doch nicht verborgen bleiben;
25 sondern alsbald hörte eine Frau von ihm, deren Töchterlein einen unreinen Geist hatte. Und sie kam und fiel nieder zu seinen Füßen –
26 die Frau war aber eine Griechin aus Syrophönizien – und bat ihn, dass er den Dämon aus ihrer Tochter austreibe.
27 Jesus aber sprach zu ihr: Lass zuvor die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, dass man den Kindern das Brot nehme und werfe es vor die Hunde.
28 Sie antwortete aber und sprach zu ihm: Herr, aber doch essen die Hunde unter dem Tisch von den Brosamen der Kinder.
29 Und er sprach zu ihr: Um dieses Wortes willen geh hin, der Dämon ist aus deiner Tochter ausgefahren.
30 Und sie ging hin in ihr Haus und fand das Kind auf dem Bett liegen, und der Dämon war ausgefahren.
Die Geschichte ist sperrig – wie schon im Titel des Gottesdienstes angedeutet. Barmherzigkeit ist aus heutiger Sicht so etwas wie der Markenkern von Jesus. In der Begegnung mit der Frau reagiert Jesus aber so ganz anders als erwartet. Es folgt auf die Bitte nicht sofort die Heilung. Eher das Gegenteil ist der Fall. Jesus vergleicht die Frau mit einem Straßenköter, dem man nicht das Essen gibt, das für die Kinder vorgesehen. Ein Werbefachmann würde sagen, er hat gerade seinen Markenkern der Barmherzigkeit verraten. Die Frau wird als Griechin beschrieben, ist also keine Jüdin und gehört damit nicht zu den Kindern Gottes, zu denen Jesus gekommen ist. Wir sind ebenfalls keine Juden. Wir können daher sagen, dass diese griechische Frau, diese Heidin, glücklicherweise nicht so schnell aufgegeben hat. Sie ergreift die kleine Chance, die sich im Bild von Jesus bietet. Ja, sie ist wie der Hund und nicht wie das Kind, aber die Hunde bekommen doch die Reste, die Krümel vom Tisch, die von den Kindern nicht gegessen werden. Diese heidnische Griechin bittet um das Erbarmen, um die Barmherzigkeit Jesu. Und genau dieses Bitten bewegt Jesus, die Tochter der Frau zu heilen.
Wie oft haben wir eigentlich in den letzten 12 Monaten Gott und Jesus um sein Eingreifen, um Heilung, Bewahrung und Segnung gebeten? Mehrfach, wenn etwas sich nicht sofort eingestellt hat? Vielleicht wochen- oder monatelang, weil keine Besserung eingetreten ist? Das nehme ich aus der Geschichte mit. Die erste Antwort Jesu war enttäuschend. Nein, er würde ihr nicht helfen. Die Frau hat sich aber nicht abwimmeln lassen, sondern blieb hartnäckig. Wie lange bleibe ich eigentlich hartnäckig im Gebet, wenn etwas nicht sofort passiert, was ich erbitte?
Die Frau macht es uns vor. Sie weiß, dass sie kein Recht auf die Barmherzigkeit Jesu hat, aber sie erbittet diese trotzdem. „Gib mir Herr, was mir nicht zusteht“ könnte man formulieren. Und Jesus lässt sich bitten und ist barmherzig. Die Krümel, die vom Tisch fallen, sind so reichlich, dass auch die Hunde davon satt werden. Das Evangelium vom Überfluss des Erbarmens und der Güte lässt sich hieraus ableiten. Wie bei der Speisung der 4.000 und der 5.000 können wir sehen, dass selbst die Reste von Gottes Barmherzigkeit und Erbarmen für uns körbeweise Vergebung und Neuanfang, Segen und Kraft, Liebe und Weisheit, Trost und Hilfe sind.
Wer so etwas selbst erlebt hat möchte es weitergeben. Wenn wir in Gott verwurzelt sind, dann leben wir aus seiner Barmherzigkeit – und können dann auch barmherzig mit anderen sein. Das ist die Grundlage für die Werke der Barmherzigkeit. Es geht eben genau nicht darum, die Werke zu tun und damit ein Anrecht auf die Barmherzigkeit, das Erbarmen und die Güte Gottes zu haben. Sondern andersherum: weil ich die Barmherzigkeit an mir selbst erfahren habe – durch Heilung, durch Sinn für mein Leben, durch ein Licht im Dunkeln, durch Freunde in für mich schlimmen Situationen – kann ich diese Barmherzigkeit auch anderen zeigen.
Jeder einzelne von uns lebt aus der Barmherzigkeit Gottes und wir als Gemeinde sind eine Gemeinschaft. Wir sind im Namen Gottes, Jesu Christi und des Heiligen Geist versammelt. Wir sind als Gemeinde in Gott verwurzelt – was bedeutet das für die Barmherzigkeit? Neben der Wirkung auf mich selbst gibt es die Frage, ob wir auch als Gemeinde Barmherzigkeit nach außen leben wollen. Wie strahlt eine Gemeinde denn Barmherzigkeit aus? Es braucht unser Herz, unseren Kopf und unsere Hand. Hungernde speisen, Nackte kleiden, Fremde aufnehmen, Kranke und Gefangene besuchen. Aus der Bibel lassen sich etliche Themen ableiten, aber keine allgemeine Agenda, weil die Situationen unterschiedlich sind. Wenn der Markenkern Jesu Barmherzigkeit ist, dann kann daraus jede Gemeinde ihren eigenen „Barmherzigkeits-Aufgabenbereich“ ableiten. Dazu braucht es Gruppen in den Gemeinden, die darüber nachdenken und sich dann gemeinsam auf den Weg machen. Erkennen, erfühlen und verstehen, welche Barmherzigkeit ich und die Gemeinde von Gott erfahren habe, und dies auf einen gemeinsamen Lebensstil übersetzen, den die Gemeinde in ihr jeweiliges Umfeld hinein lebt. Es müssen ja nicht von Anfang an alle 14 Werke der Barmherzigkeit sein, die eine Gemeinde bearbeitet. Vielleicht beginnt man mit einem oder zwei Themen. Auf jeden Fall wird es eine spannende, eine herausfordernde Aufgabe. Dabei können wir dann auch das konsequente Bitten vor Gott um seine Barmherzigkeit einüben, da niemand darauf ein Anrecht hat – aber Gott will darum gebeten werden und gibt dann gerne und reichlich.
Amen.
Christian Buhr