Und? Was machst du am Sonntag? Predigt für Sonntag, den 25. Oktober 2020 von Pfarrer Thomas
Predigttext: Das Ährenraufen am Sabbat (Markus 2,23-28)
23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch die Kornfelder ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, da er Mangel hatte und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: 26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. 28 So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.
Predigt
„Und? Was machst du am Sonntag?“ Vielleicht haben Sie diese Frage schon einmal gestellt bekommen. Vielleicht in dieser Version: „Und? Was machst du am Wochenende?“ Was wäre Ihre aktuelle Antwort, wenn Sie an den nächsten Sonntag denken?
„Wir gehen zum Bruchsaler Riesenrad und füllen uns danach bei der „Feldenguts“-Brasserie den Bauch mit XXL-Waffeln.“ – „Ich bin Hygiene-Ordner beim Gottesdienst.“ – „Wir besuchen Oma und Opa, solange wir noch keinen völligen Shutdown haben.“ – Wir schaun uns einen Youtube-Gottesdienst an.“ – „Ich muss leider arbeiten. Bereitschaft.„ – „Ausschlafen.“ – „Lernen für die Klassenarbeit.“
Ich würde Ihnen wünschen, dass sie zusammenfassend sagen könnten: „Ich lasse es mir gut gehen.“ Das klingt vielleicht etwas selbstbezogen. Ist es aber nicht, zumindest nicht nur. Dazu später mehr.
„Was machst du am Sonntag?“ – „Ich lasse es mir gut gehen.“ Diese Antwort möchte ich heute mit Ihnen und Euch durchbuchstabieren.
Ich – Buchstabe „I“ – Ich will den Sonntag in die Hand nehmen!
Damit fängt es an. Das ist wichtig. Freiheit beginnt, dort, wo ich sie gestalte. Und in diesen Corona-Zeiten sind wir dazu herausgefordert, den Sonntag zu gestalten. So wie immer geht es ja nicht.
Wenn wir selbst die Entscheidung treffen, was wir wollen, dann vermeiden wir, dass die Entscheidung über uns oder für uns getroffen wird. Will ich am Sonntag nicht die Arbeit vom Montag vorbereiten und lieber „chillen“? Dann nehme ich’s in die Hand am Freitag oder Samstag die Arbeit zu tun. Sonst kann ich gar nicht anders und muss sie am Sonntag tun.
Wenn ich die Vorbereitung nicht so getan habe, wie es nötig gewesen wäre, kann ich mich auch entscheiden: Dann wird es am Montag eben nicht 100% gut. Dann begnüge ich mich mit 80%. Auch eine Entscheidung. Jesus lädt uns ein, den Sonntag in die Hand zu nehmen.
Jesus sagt: So ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. „Sabbat“ meint den 7. Tag der Woche, den wöchentlichen Feiertag zu der Zeit, als Jesus lebte. Also für uns: Der Sonntag. Mit „Menschensohn“ meint Jesus sich selbst. Man könnte deshalb auch so seine Worte übersetzen: „Ich bin der Herr über den Sonntag!“
Natürlich zeigt sich mit dem Wort „Menschensohn“ auch die besondere Würde von Jesus. Aber durch ihn darf jeder von uns das in Anspruch nehmen: „Ich, Tochter meiner Mutter und Tochter Gottes, bin Herrin über den Sonntag!“
„Ich, Sohn meines Vaters und Sohn Gottes, bin Herr über den Sonntag!“
„Ich lasse es mir gut gehen.“
Der Buchstabe „L“ für „Loslassen“
Der Sonntag, der christliche Nachfolger des Sabbats, ist der Tag der Ruhe. Damit ist er auch der Tag des „Gefallenlassens“, der Passivität. Am 31. Oktober feiern wir „Reformation“. Wir feiern die Erkenntnis: Ich bin wertvoll, nicht weil ich gute Dinge tue und fleißig arbeite, sondern weil Gott mich für wertvoll erklärt. Bei ihm bin ich wertvoll. Ich muss es nicht noch werden. Von daher ist jeder Sonntag ein Reformationsfest. Vor Gott muss ich nicht arbeiten, bei ihm kann ich loslassen. Oder anders gesagt: Heute muss ich nicht nützlich sein. Heute bin ich einfach da. Das ist der innere Kern des Sabbats und auch der Grund, warum jene Pharisäer nicht völlig unrecht haben, wenn sie so darauf achten: Keine Arbeit am Ruhetag!
Hier möchte ich auf kleines, aber nicht unerhebliches Problem hinweisen. In unseren Gemeinden ist ausgerechnet der Sonntag der Tag, an dem „Gemeindearbeit“ läuft. Einige müssen arbeiten, damit andere feiern können. Wie gehen wir damit um? Die Liste derer unter uns, die im Gottesdienst mitarbeiten ist lang!
Manche werden sagen: „Das ist mir keine Last. Das macht mir ja Spaß. Es ist sogar ein Ausgleich zur Mühe der Woche.“ Dann ist es gut.
Wenn es aber so ist, dass man nur noch deshalb zum Gottesdienst da ist, um Gott einen Dienst zu erweisen? Wenn es nicht mehr geschieht, dass wir uns von ihm bedienen lassen?
Was ist, wenn im Vordergrund steht, dass wir uns für Gott nützlich machen und nicht mehr, ihn zu feiern? Das kann vorrübergehend schon mal so sein. Aber nicht auf Dauer!
Jetzt sage ich etwas Gefährliches. Vielleicht rufe ich jetzt das Ende unserer Gemeindearbeit aus. Aber wegen der frohen Botschaft muss ich das sagen: Wenn die Mitarbeit in der Gemeinde am Sonntag dauerhaft zur Last wird, zur Arbeit, bei der du dich als wertvoll und nützlich erweisen musst, dann lass es. Lass es. Sag nein. Sag: „Mach ich nicht, bis für mich das Verhältnis wieder stimmt, solange bis mich die Mitarbeit nicht mehr daran hindert, am Sonntag – oder an „meinem Feiertag“ (muss ja nicht der Sonntag sein) – das Lassen zu praktizieren.
Und wenn dann Arbeit nicht getan wird? Dann ist es so. Unsere Gemeinde wird nicht durch die Arbeit erhalten, sondern durch das Feiern des Sonntags, der uns auch wieder Kraft zur Arbeit gibt. Das glaube ich.
Die nächste Überschrift:
„Ich lass es mir gut gehen.“ Buchstabe „E“.
Dem eingeprägten Rhythmus folgen.
Der Sabbat ist für den Menschen gemacht und nicht der Mensch für den Sabbats. „Gemacht“ heißt es hier: Der Sabbat, der 7. Tag, ist eine Schöpfung Gottes. Das haben die Babylonier und Ägypter entdeckt, weit vor den biblischen Zeiten: Da gibt es einen Rhythmus in der Welt, der dem Menschen guttut. So haben sie Gottes Erfindung entdeckt und die 7-Tage-Woche eingeführt. Die Hebräer haben es dann übernommen. So haben wir dieses eine der Zehn Gebote, die Mose empfangen hat: Du sollst den Feiertag heiligen.
In Frankreich versuchte man nach der französischen Revolution dem 5-Tage-Rhythmus zu folgen. Mehr Freiheit? Hat sich nicht durchgesetzt.
Nach der russischen Revolution hat man es mit der 10-Tage-Woche versucht. Mehr Produktivität? Hat sich auch nicht bewährt. Man ist immer wieder auf die 7-Tage-Woche zurückgekommen.
Wissenschaftler können sich nun überlegen, ob die 7-Tage-Woche die Menschen geprägt hat oder ob der menschliche Rhythmus die 7-Tage-Woche hervorgebracht hat. Den Kopf können wir uns zerbrechen, müssen es aber nicht.
Wir nehmen die 7-Tage-Woche als guten, von Gott gegebenen, uns eingeprägten Rhythmus.
Lassen wir’s uns gut gehen in diesem Rhythmus.
„Ich lass es mir gut gehen.“ Buchstabe „M“.
Meine Bedürfnissebefriedigen
Ja stimmt, das klingt selbstbezogen, egoistisch. Aber darf ich selbst nicht zuerst einmal der Mensch sein, für den der Sonntag gemacht ist?
Die Schüler von Jesus, die Jünger, raufen am Sabbat Ähren aus. Das war für die Menschen damals grundsätzlich erlaubt, wenn die Ernte reif war und jemand den Hunger stillen musste. Das war nicht gestohlen. Ernten wäre gestohlen gewesen. Aber nicht Ausraufen, um den Hunger zu stillen. Jesus erlaubt es seinen Jüngern und uns, unsere Bedürfnisse zu befriedigen.
Du Mutter junger Kinder, stell deine Bedürfnisse gerne 6 Tage hinten an. Aber einen Tag soll es geben, wo du dir selbst was Gutes tust! Oder dir das Gute tun lässt, das du brauchst!
Arbeiter im Homeoffice, verschaff dir wenigstens an deinem Sonntag, die notwendige Bewegung!
Kellner, Koch, lass dich am Ruhetag bedienen.
Du einsamer Mensch, bring wenigstens einmal in der Woche jemanden dazu, dich zu besuchen, oder mach selbst einen Besuch!
Wenn dir Lernen und Schule zu wenig Action ist, dann mach am Wochenende mächtig was los!
Siehst du sonst nur grau in grau, feiere ein Fest der Sinne, geh in eine Ausstellung, ins Grüne oder ins herbstlich Bunte, oder in die Kirche oder ins Popcorn-Kino!
Mach dich satt am Sonntag! Der Sonntag ist der falsche Tag, um abzunehmen!
Nochmals die Frage: Ist da nicht zu egoistisch?
Muss es nicht sein, weil wir uns ja zusammentun können, leben teilen, miteinander feiern, im Miteinander satt werden können. Denn das ist auch eines unserer Bedürfnisse: Gemeinschaft.
„Ich lass es mir gut gehen!“
Buchstabe „G“ wie „Gemeinschaft“
Ja, das Bedürfnis nach Gemeinschaft gehört zu unserem Menschsein. Es mag Zeiten geben, wo du auch ein Bedürfnis nach Alleinsein hast. Gerade in sozialen Berufen besteht das.
Aber vielleicht genügt auch die Gemeinschaft, in der du bewusst gerade mal keine Verantwortung hast. Wo du mitspielst, locker sein kannst, die Freundlichkeit anderer genießen kannst. Es sich gut gehen lassen, das geht besonders gut in der Gemeinschaft. Und wenn jetzt während Corona so manche große Gemeinschaft nicht geht. Lasst uns darauf achten, dass wir uns im Kleinen zusammenfinden. Muss ich dazu noch mehr sagen? „Ich lass es mir gut gehen!“
Fehlt nur noch das zweite „G“.
Richtig geraten: Jetzt kommt noch Gott. Aber bitte nicht so: Das muss dann auch noch sein. Der Gebotegeber, der den Ruhetag fordert. Nein, Gott ist da nicht zuerst der Gebotegeber, sondern der absolute Gönner. Gott als unseren Gönner abzufeiern, dazu haben wir allen Grund an jedem Sonntag.
Deshalb die Überschrift:
Gott feiern!
Ja, es ist auch ein Gebot: Du sollt den Feiertag heiligen. Aber vor allem für diejenigen, die meinen sie müssten anderen ihren Tag der Ruhe verwehren, sie dazu zwingen ohne Pause zu arbeiten. Deshalb ist das Gebot auch das am besten erklärte unter den 10 Geboten. Ausdrücklich sind alle benannt, die die Herren jener Zeit vergessen könnten. Vergessen könnten, dass der Sonntag, der Feiertag auch für sie da ist:
„Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.“ Gott gönnt den Sonntags allen! Deshalb diese letzte Überschrift zum Buchstaben „G“:
Gott feiern!
So würden es zumindest Jugendliche das formulieren, was wir Älteren als „Gott ehren!“ bezeichnen.
Gott feiern. Das ist auch ein Bedürfnis, das jeder von uns hat, selbst Menschen, die dieses Bedürfnis nie mit dem Wort Gott in Verbindung bringen würden. Vielleicht würden sie sagen: Ich habe das Bedürfnis, das Geheimnis Lebens zu feiern. Weil das Leben da ist und das Universum und es keinen Zweck verfolgt, aber Sinn macht. Da liegt was ganz Wichtiges verborgen. Ich finde nur keine Worte dafür. Gott feiern! Könnte es das sein?
Wir kommen zum Schluss! Ich wünsche mir, dass das Ihre Antwort sein kann auf die Frage, was Sie am Sonntag machen:
Ich lasse es mich gut gehen.
Wir haben es durchbuchstabiert:
Den Sonntag …
… in die Hand nehmen
… loslassen
… dem eingeprägten Rhythmus folgen
… meine Bedürfnisse befriedigen
… Gemeinschaft erleben
… Gott feiern.
Amen.
Stephan C. Thomas, Pfarrer, Vakanzverwalter; ; 0160-7965863